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Niglo-Umzug in Windischgarsten

     
 
Da rennt da Leutzammfresser um,
an Wildsauschädl, an Mordstrumm.
Sinst stengan d' Waldbam ruhig da,
heut rennt dir's Grassatmandl na.
Die Riesen schlafen's ganze Jahr,
heut nimmst as z'samt die Zwergerl wahr. [...]
D' Niglofrau und ihr guata Herr,
die bändigen schon das wilde Gscher.
Vom Himmel, aus sein golden Haus,
da kimmt da heili Nikolaus.
Gedicht zum Niglo-Umzug von Rudolf Kusché (Ende der 1950er Jahre).
(Zitiert nach Jörg Strohmann)
Wo wird der Brauch in OÖ gelebt?

Zeitraum:
5. Dezember
Kategorie:
UNESCO-Kulturgüter, Nikolaus

 

Der Brauch des Niglo-Umzugs im Garstnertal wurde in den 1950er Jahren wieder belebt. Mithilfe der Aufzeichnungen von Pater Amand Baumgarten, der Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche oberösterreichische Bräuche dokumentierte und anhand der Erinnerungen der Bäuerin Theresia Retschitzegger vom Bischofsberg ließ Rudolf Kusché mit dem Trachtenverein Windischgarsten diesen Brauch in seiner ursprünglichen Form wieder aufleben.
Vorbild für diesen Umzug war eine Abbildung eines Stubenspiels in Windischgarsten aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Der Niglo-Umzug findet am Abend des 5. Dezember statt, allerdings führt er nicht wie früher von Haus zu Haus, sondern geht nun zum Marktplatz hin. Zu Beginn stellt der Niglo-Herr die über dreißig am Umzug beteiligten Figuren mit einem Gedicht von Kusché den Zusehern vor.

Es treten freundliche, schöne Personen auf wie die weißgekleidete, gabenbringende Niglo-Frau mit ihrem Gefolge.
Die dunklen Gestalten ("Nigln") hingegen flößen Furcht ein. Sie tragen Felle, Geweihe oder Masken und heißen Habergeiß (eine dämonische Ziege), Klaubauf (ein pelziges Geschöpf, das schlimme Kinder in seinem Korb einsammelt), Leutz'ammfresser (eine furchterregende Gestalt mit Wildschweinkopf) oder Grassertmandl (eine Art laufender Nadelbaum oder Baumgeist).
Anschließend präsentiert sich Sankt Nikolaus, ebenfalls in Reimen angekündigt, und übergibt den anwesenden Kindern kleine Geschenke.

Jörg Strohmann vom Heimat- und Museumsverein Windischgarsten ist es ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass der Windischgarstner Niglo-Umzug auch heute noch nach altem Vorbild vom Trachtenverein Windischgarsten gepflegt und nicht mit den überall in Mode gekommenen, hintergrundleeren und völlig aus dem Brauchzusammenhang genommenen Show-Perchtenläufen vermischt wird. Er verweist auf folgende Beschreibung:

"Nachdem es schon einige Zeit vor der Thüre von Kettengeklirre und Schellenklang ertönt hat, öffnet sich diese nach drei lauten Schlägen, und herein stürzt ein bunter Haufe von seltsamen Gestalten. Voran schreitet, die Infel auf dem Haupte, angethan mit Meßkleid und Vespermantel, den Bischofsstab in der Hand, der Nikolaherr, der Allwissende, dem sein kleiner Finger alles offenbart.
Ihn begleitet, mit Flitter von allerlei Art behangen, die Nikolafrau, welche besonders die Mädchen zur fleißigen Handarbeit ermahnt.
Hinter dem Nikolaherrn kommt sein Gefolge, mit Gaben für die guten, aber auch mit Birkenreisern für die bösen Kinder beladen. Die bösen Kinder bedroht der "Krampus", eine Schreckensgestalt mit Hörnern am Kopf und mit weit heraushängender, rother Zunge, in dichtem Pelz gemummt und mit rasselnder Kette.
In das Gerassel mischt sich das Meckern der "Habágoaß". Nicht minderen Schrecken erregt der "Klaubauf", eine Riesengestalt mit ungeheuerem Barte und einem "Buglkorb", aus dem es wie Kindeswimmern laut wird; auch Hände und Füße wie von Kindern strecken sich aus dem Korb hervor, oder es baumelt gar ein Kopf nieder.

Doch horch, grunzt es nicht draußen? Es ist so; der "Leutfresser" naht, ein Schweins- oder andern Thierkopf statt des Menschenhauptes auf der Schulter, Krallen statt der Hände und an der Stelle der Füße Pferdehufe, die mit Macht auf den Boden stampfen.
Er "frißt" die bösen Kinder, nachdem sie im Nikolaland sind gemästet worden.
Hierzu kommen noch Jäger mit Hirschgeweihen auf dem Kopfe, winzige Zwerge mit ellenlangen Bärten und Riesen, die mit den Köpfen bis zur Stubendecke reichen, aber bald größer bald kleiner werden, Einsiedler und anderer abentheuerlicher Troß.
Nach der Prüfung der Kinder, der Lob oder Drohung folgt, fragt der Nikolaherr seinen kleinen Finger, der ihm alle Fehler und Vergehen derselben, auch die kleinsten und geheimsten, verkündet. Den Buben im Winkel dort, der es doch etwas zu frech getrieben, nähme der Krampus auf der Stelle mit, wenn nicht die gütige Nikolafrau dazwischen träte.
Doch wird ihm statt eines Geschenkes eine Handvoll tauber Nüsse und eine Rute beschert, welche ihn, wenn er abermals böse sein sollte, von selbst durchbleut. Die guten Kinder dagegen werden reichlich beschenkt." (Siehe Amand Baumgarten, im Programm des kaiserlich-königlichen Gymnasiums Kremsmünster für das Schuljahr 1860, gedruckt von Josef Feichtingers Erben, S. 4f.)

Der Windischgarstner Niglo-Umzug wurde 2011 in die Liste der Immateriellen Kulturgüter der UNESCO aufgenommen.

Siehe auch: Midlao in St. Roman, Nikolaus, Nikolausumzug

    Niglo-Umzug
Niglo-Umzug in Windischgarsten: Grassertmandl, St. Nikolaus, Niglo-Herr, Niglo-Frau, Riese.
Christian Habersack, 2008 Habergeiß
Habergeiß.
Christian Habersack, 2008 Niglo in Windischgarsten
Niglo-Umzug in Windischgarsten, Stubenspiel mit Leutz'ammfresser, Jäger, Klaubauf, St. Nikolaus, Habergeiß, Niglo-Frau. Kolorierter Stich von O. Greil aus dem 19. Jahrhundert, Heimatmuseum von Windischgarsten
Jörg Strohmann, Heimat- und Museumsverein Windischgarsten